Patric Binda

The Morphelets

 


CEAAC Strassburg

Regionale 20

Il ne faut pas en vouloir aux événements.
1. Dezember 2019 – 19. Februar 2020


Eintrag über meine Arbeit auf der Seite des CEAAC

Deutsche Übersetzung:

Die Beschwörung des Körpers spiegelt sich in Patric Binda's Schuhleisten wieder, einer Serie, die, wie seine anderen aktuellen Arbeiten, unter dem Titel Morphelets zusammengefasst ist. Schuhspanner zur Pflege unseres Schuhwerks nehmen stellvertretend die Form unserer Füße an und ersetzen das fehlende Körperteil. Mit seiner Serie Schuhleiste zeigt Patric Binda mehrere solcher Objekte, hier jedoch monströs verformt. Bei ihrem Anblick geht unsere Phantasie auf Reisen, ähnlich wie im Märchen, als Goldlöckchen im Bärenhaus Schüsseln verschiedener Größe entdeckt: Welche Wesen wohl hinter diesen Substituten stecken?


Könnte es sich um die Protagonisten der unten vorgestellten hybriden Portraits handeln? Die ersten beiden sind in Form von klassischen Ölbildern. In diese abgewandelte Neuauflagen von Gemälden alter Meister, Die Figuren tragen dieselben Kleider und sind in derselben Pose festgehalten wie auf dem Original; alles ist gleich bis auf Ausstülpungen, die hie und da wuchern: spindelförmige Hautauswüchse und Wülste, mittelalterlichen Kopfbedeckungen wie Hörnerhauben und Haarkränzen auf bizarre Weise ähnlich. In ihrer natürlich-lässigen Zurschaustellung ziehen die merkwürdigen Anhängsel uns in ihren Bann und lassen ihren Anblick schnell gewohnt werden. Kein Zweifel, wenn es denn Monster gibt, hier nehmen sie Gestalt an. Deutlich zu erkennen die speziellen Gesichtszüge des von Diego Velázquez so oft porträtierten spanischen Königs Philipp IV., doch man erfährt nichts über seine geheimnisvolle Nachbarin, einem Gemälde entnommen, von dem weder der Urheber noch das Modell bekannt sind.


Sie wirken wie ferne Verwandte all jener auf Fresko-Fragmenten dargestellten Figuren: gehörnte Mischwesen mit fünf oder sechs Augen, Mann mit Bart aus Fleisch. Die wie Fragmente daherkommenden Artefakte legen nahe, dass sie einem antiken oder mittelalterlichen Fresko entsprungen sind. So konstruieren sie eine merkwürdige Vertrautheit, ohne dass man genau sagen könnte, was Teil der Erinnerung ist und was sich ihr entzieht.


Patric Bindas Werke wecken ebenso sehr Assoziationen zu uralten Mythen wie zur Science-fiction- oder Fantasy-Ästhetik, ganz zu schweigen von den vielfachen Ausprägungen der Body-Modification: Cuttings, transdermale Implantate, Bagelheads... Im Spiel mit historischen Zitaten, gewürzt mit einer Prise Magie und Humor, richtet der Künstler den Fokus auf unser Menschsein in all seinen Brüchen und Randerscheinungen, hinterfragt unsere kollektive Vorstellungswelt.